Christel Helms

Von der Schockdiagnose zur Vereinsgründung

Es ist eine emotionale Geschichte, die Christel Helms zu erzählen hat. Auch wenn es schon über 30 Jahre her ist, kann sich Frau Helms noch gut an den Moment erinnern, als sie im Krankenhaus lag und ihre gerade zwei Tage alte Tochter, die unter anderem auch zu früh geboren wurde, mehrere Kilometer entfernt im Universitätsklinikum Münster lag. Was ist mit meiner Tochter? Wie geht es ihr? Diese Fragen konnte ihr niemand beantworten. Um Antworten auf ihre Fragen zu bekommen fuhr sie mit ihrem Mann ins UKM, sie mussten aber unverrichteter Dinge wieder zurückfahren. 

Erst am nächsten Tag erfuhr sie von dem behandelnden Arzt die Diagnose ihrer Tochter: ein schwerer angeborener Herzfehler. Diese Diagnose war nicht nur ein Schock, sondern mit einer großen Angst verbunden. Stefanie litt nämlich in Folge des Herzfehlers unter akutem Sauerstoffmangel. Es war zunächst nicht sicher, ob sie überleben würde.  

Somit machte Frau Helms im Jahr 1986 das erste Mal Bekanntschaft mit der Station 18B West, der Kinderkardiologie des UKM. Frau Helms begleitete ihre Tochter während der stationären Aufenthalte auf der Station und wartete auf sie nach den Operationen. Dies war ein Balanceakt. Die gelernte Krankenschwester war gezwungen Beruf, Familie und die Versorgung ihres Herzkindes unter einen Hut zu bekommen. Nicht nur Stefanie erforderte Aufmerksamkeit, auch die Brüder von Stefanie waren noch sehr jung und auf die Betreuung durch ihre Eltern angewiesen.  

Überforderung, Ängste & Sorgen

Frau Helms und ihr Mann standen vor keiner leichten Aufgabe. Hinzu kamen die Sorgen und Ängste rund um Stefanies Gesundheit. „Wir als Eltern fühlten uns damals hilflos mit der Situation. Dementsprechend hatten wir viele Fragen an die Ärzte und Ärztinnen, die sie uns aber nicht immer beantworten konnten.“, so Helms. „Es kam immer wieder zu Diskussionen und Fragestunden, die für alle Beteiligten eine Belastung darstellten.“ Eltern und Kinder waren mit der Situation ziemlich alleine, denn eine ausführliche psychosoziale Betreuung konnte vom Klinikpersonal nicht geleistet werden. Die regelmäßigen stationären Aufenthalte, mitunter sogar auf der Intensivstation waren und sind eine enorme Belastung für Herzkinder und ihre Familien. Besonders, wenn die Ärzte und Ärztinnen aufgrund des labilen gesundheitlichen Zustands des Kindes den Eltern anraten mit dem Schlimmsten zu rechnen.  

Frau Helms berufsbedingtes Fachwissen empfand sie als Fluch und Segen zugleich. Einerseits gab es ihr Sicherheit, da sie viele Verfahren kannte oder wusste, welche Symptome auf welche Dysfunktionen hindeuten und was zu tun ist. Andererseits kannte sie ausführlich die Risiken, wusste, was alles passieren konnte. Das war für sie sehr belastend. Gerne hätte sie sich mit anderen Eltern oder Betroffenen ausgetauscht. Ihr half zwar der regelmäßige Kontakt zu einer guten Freundin, dennoch erkannte sie immer mehr, dass es anderen Eltern wie ihr erging und sich daran etwas ändern müsste. Dies sahen die Ärzte genauso. So kam es, dass im Jahr 1991 Herr Prof. Dr. Vogt eine Liste auf der Station aushing, in die sich Eltern eintragen konnten, wenn sie an einem Austausch innerhalb eines Vereines für Herzkinder interessiert waren. So fanden sich die 18 Gründungsmitglieder des Vereins. Unter Ihnen war auch Frau Helms. 

Die kleine Stefanie verstarb - unser Verein wurde geboren

Leider musste sich die Familie Helms in dem Jahr von ihrer Stefanie verabschieden. Doch anstatt dem Thema Herzfehler und den Erfahrungen, die Frau Helms gemacht hatte den Rücken zu kehren, setzte sie sich mit aller Macht für herzkranke Kinder und ihre Familien ein. 

Zunächst baute sie mit den anderen Gründungsmitgliedern den Verein Herzkranke Kinder (früher: Hilfe für das herzkranke Kind) auf. „Besonders die rechtlichen Belange, wie Vereinsrecht und Satzung waren zu Beginn eine Herausforderung. Wir mussten uns alles an Wissen selbst beibringen und anlesen. Aber auch finanzielle Themen standen auf dem Plan”, berichtet Frau Helms. 

Es wurde eine Kooperation mit der Station 18B West ausgearbeitet sowie das Angebotsprofil des Vereins herausgestellt, woran heute mit den Beteiligten inhaltlich angeknüpft wird. 

Doch Frau Helms Engagement blieb nicht nur auf die regionale Ebene beschränkt. Im Jahr 1993 beteiligte sie sich an dem Aufbau des Bundesverbands für herzkranke Kinder und bekleidete insgesamt bis 2001 das Amt der Vorsitzenden. Auch auf politischer Ebene war sie in verschiedenen gesundheitlichen Bereichen aktiv. Frau Helms setzte sich somit auf regionaler, bundes- und politischen Ebene für die Belange für Herzkinder und ihre Familien ein. Nebenbei arbeitete sie weiter und versorgte ihre Familie. Ihr herausragendes Engagement wurde im Jahr 2002 mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet.  

Unermüdlich für Herzkinder aktiv

Wir sind im Verein unglaublich stolz darauf, dass unsere Geschichte mit einer so engagierten und starken Frau begann und geschrieben wurde.  

Wir haben Frau Helms gefragt, wie es ihr mit dem Gedanken geht, dass der Verein 2021 sein 30-jähriges Jubiläum feierte:

„Ich bin stolz und froh, dass es den Verein noch gibt. In den Jahren, in denen ich aktiv im Verein war, hatten wir natürlich auch die ein oder andere Krise. Schön, dass es der Verein geschafft hat, diese Herausforderungen zu meistern und mit der Zeit zu gehen. Einige Aufgaben werden sicherlich immer bleiben, auch die Schwerpunkte, doch der Unterstützungsbedarf der Familien kann sich situationsbedingt immer ändern. Großartig, dass der Verein so lebendig ist. Ich hoffe sehr, dass er auch die aktuelle Krise, die Corona-Pandemie übersteht, sich gut weiterentwickeln kann und für die Herzkinder und ihre Familien da ist.“
Christel Helms
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